Kurz gesagt, dieser Mythos ist vollkommen falsch!
Doch warum?

Viele Menschen im Autismus-Spektrum wünschen sich Freunde und würden nahezu alles dafür tun um Freunde zu finden. Es gibt aber auch Menschen im Spektrum, die keinen Wert darin erkennen Zeit, Kraft und Arbeit in Freundschaften zu investieren.
Autisten sind im Bedürfnis Freundschaften zu haben genauso unterschiedlich wie neurotypische Menschen. Der Eine braucht viele Freunde, der andere ist mit einem glücklich und ein dritter möchte gar keinen Freund haben.
Das Vorurteil, dass Autisten keine Freunde haben wollen, ist weit verbreitet. Und so wie bei vielen anderen Vorurteilen ist dieser Mythos nicht nur zu sehr verallgemeinert, sondern auch für viele autistische Menschen schädlich, da die Allgemeinheit diesen Mythos nach wie vor als gegeben ansieht.
Menschen mit Autismus haben oft genauso viel Interesse an Freundschaften wie neurotypische Menschen. Die Problematik für Sie liegt jedoch oft in der sozialen Kommunikation und Interaktion. So wird es für viele Autisten nahezu unmöglich Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten. Viele Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung sehnen sich nach sozialen Beziehungen und Freundschaften. Sie möchten Kontakte knüpfen und dazugehören. Nicht selten scheitert es aber schon an ihren Schwierigkeiten dies auszudrücken oder auf herkömmliche Weise zu zeigen. Dies führt dann sehr oft dazu, dass das Umfeld dies als Desinteresse wertet und sich dann auch dementsprechend verhält und somit ist die Chance oft verloren.
Die Art und Weise, wie Menschen mit Autismus kommunizieren, ist oft von Grund auf anders, was leider regelmäßig zu Missverständnissen führt. Einige von uns interpretieren nonverbale Signale (Gesichtsausdrücke, Gesten und Körpersprache) anders, übersehen diese komplett oder haben Schwierigkeiten, in sozialen Situationen die richtigen Worte zu finden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie kein Interesse an Freundschaften haben.


Man muss sich auch bewusst sein, dass manche autistische Menschen sehr tiefgehende und bedeutungsvolle Beziehungen entwickeln. Oft bevorzugen sie eine kleine Anzahl enger Freundschaften, in denen man mit ihnen aber regelrecht Pferde stehlen kann und auch um zwei Uhr in der Früh unangekündigt vor der Tür stehen darf.
Ich möchte Vorurteile und Missverstände zwischen Menschen abbauen, egal ob neurotypisch oder neurodivers, da es diese Voreingenommenheit und Fehldeutung ist, die neurotypische Menschen isoliert. Mit etwas mehr Verständnis und Unterstützung der Gesellschaft können Menschen mit Autismus, ADHS und anderen vergleichbaren Einzigartigkeiten, erfolgreich Freundschaften aufbauen, pflegen und wachsen lassen. Und sind wir mal ehrlich-Freundschaften sind doch für alle Menschen etwas ganz besonderes. Wer weiß also, was uns selbst, unserem Umfeld und der Gesellschaft verloren geht durch die vorgefertigten Meinungen, Vorurteile und Ängste?
Natürlich gibt es mittlerweile ein großes Angebot von Therapien und Programmen, durch die Autisten und ADHSler ihre sozialen Fähigkeiten verbessern können und mit Geduld, Spucke und etwas Glück ihre sozialen Ziele erreichen können. Welche Therapie oder welches Programm jedoch zu einem passt und was einem wirklich etwas bringt, ist von Betroffenem zu Betroffenem unterschiedlich. Oft ist auch die Person des Kursleiters, Therapeuten oder Trainers ausschlaggebend, ob für einen selbst ein Mehrwert überhaupt möglich ist. Wie bei allen Menschen, egal ob neurodivers oder neurotypisch, kommt es auf die Chemie an und niemand von uns mag alle Menschen. Wir müssen nur ehrlich zu uns sein, denn eine Therapie mit einer Therapeutin, bei der ich mich nicht wohlfühle, mich nicht verstanden fühle, wird mir in keiner Weise helfen und mir viel Zeit und Kraft rauben.
Ich möchte hier auch unbedingt darauf hinweisen, dass dies nicht nur bei uns Erwachsenen so ist, sondern bei Kindern und Jugendlichen noch um ein Vielfaches mehr ausgeprägt ist. Also liebe Eltern und andere Bezugspersonen: redet mit euren Kindern und Jugendlichen, wie es ihnen in der Therapie geht. Nehmt sie ernst und scheut auch einen Wechsel des Programmes nicht. Manchmal kann sich auch während einer längeren Therapie etwas ändern, was eine Änderung oder eine Beendigung verlangt.


Zum Abschluss hoffe ich diesen Mythos auf verständlicher Weise widerlegt zu haben und damit beizutragen, dass die Umgebung von Autisten und anderen neurodiversen Menschen offener wird und so wirklich alle die gleichen Chancen auf Freundschaften und soziale Interaktionen haben.
Eure Christin
2 Antworten
Genauso empfinde ich es bei meiner Tochter von außen betrachtet. Für mich als nicht Autist und mit Autistin als Tochter ist es oftmals schwer zu erkennen, wie sie empfindet. Dies entspricht genau dem, was ich von außen wahrnehme. Wie kann ich Juditha helfen? Kann ich ihr überhaupt helfen?
Liebe Magdalena, als erstes musst du einmal mit ihr reden, was sie möchte. Möchte sie wirklich mehr sozialen Kontakt? Sind Gleichaltrige interessant oder eher ältere? Liebe Grüße Christin