Was Autismus noch immer für viele bedeutet
Die Wahrnehmung von Autismus hat sich vor allem im letzten Jahrzehnt sehr geändert.
Dies liegt zum einen daran, dass das Feld „Autismus“ immer mehr erforscht wird und zum anderen, dass immer mehr dieses Thema ganz offen kommunizieren und darüber sprechen.
Jedoch hängen die alten „Bilder“ von Autisten hartnäckig in den Köpfen der Menschen fest.
Wenn man in der Fußgängerzone oder im Einkaufszentrum Passanten fragt, was Sie über Autismus wissen oder sich vorstellen, sind die Antworten doch oft noch sehr erschreckend.
„Ja das sind die, die immer den Kopf an die Wand hauen und nicht sprechen.“
„Sind das nicht die, die nichts können und nur in einer Sache extrem gut sind? So wie der Dreijährige der ultra realistisch malen kann.“
„Soweit ich weiß, sind das Einzelgänger die sich nicht berühren lassen wollen und die auch nichts fühlen.“
Auch ich hatte am Anfang meines Weges diese alten Bilder im Kopf und war dementsprechend irritiert, da mein Maxi, um den es ging, in keiner Weise diesem alten Bild entsprach.

Was ist Autismus nun wirklich?
Autismus ist eine neuronale Entwicklungsstörung.
Früher wurde Autismus unterteilt in Frühkindlichen Autismus, Atypischen Autismus und Asperger (Klassifikation nach ICD-10).
Heute nimmt man immer mehr Abstand von dieser Unterteilung und geht über zur Autismus Spektrum Störung (ASS, im englischen Autism Spectrum Disorder ASD). Nach heutigem Forschungsstand können die unterschiedlichen Symptome, in ihrer Varianz, nicht klar zugeteilt werden (Klassifikation nach ICD-11).
Die Hauptmerkmale
- Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion
- Eingeschränkte Kommunikation
- Stereotype Verhaltensmuster und Interessen
- Sensorische Empfindlichkeiten
Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion
Viele zwischenmenschliche Verhaltensweisen, wie auch die Interaktion, werden von den meisten Menschen intuitiv erlernt und weiterentwickelt. Menschen mit Autismus müssen jedoch diese Bereiche erlernen, so wie andere die Vokabeln einer Fremdsprache.
Aspies (leitet sich von Asperger ab und wird von vielen Menschen mit Asperger als Selbstbezeichnung genutzt) stellt die soziale Interaktion vor eine Vielzahl von Herausforderungen.
- Augenkontakt
- Körperkontakt
- Beziehungen aufbauen und am Laufen halten
- Mimik und Gestik
Bei allen sozialen Interaktionen geht es um die Frage „Wie agiere ich der Situation entsprechend richtig?“. Dies hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Um in solchen Situationen gesellschaftskonform reagieren zu können analysieren Autisten JEDE Situation sehr genau und arbeiten in ihrem Kopf regelrecht Checklisten ab. Im Gegensatz zu anderen Menschen werden Autisten dadurch spürbar langsamer in ihren Reaktionen als Andere, die ganz intuitiv reagieren und agieren können. Hinzu kommt, dass Autisten oft mit der Zeit immer verunsicherter werden und teilweise regelrecht Angst und Panik vor sozialen Interaktionen entwickeln. Dies betrifft vor allem Personen die im Spektrum sind, jedoch (noch) nicht diagnostiziert wurden.

Eingeschränkte Kommunikation
Die Kommunikation ist schon früh auffällig. Einige Autisten sprechen sehr früh und sehr komplex. Andere wiederum starten erst sehr spät zu sprechen und manche sprechen nie.
Einige Auffälligkeiten bei der aktiven Sprache sind:
- ein sehr großer Wortschatz für das entsprechende Alter
- sehr direkte Kommunikation
- Schwierigkeiten indirekte Kommunikation zu verstehen
- Small Talk ist meist nicht möglich
- Sprichwörter und Redewendungen werden meist wörtlich genommen
Es gibt viele weitere Auffälligkeiten und ich möchte an diesem Punkt festhalten, dass diese Liste definitiv nicht vollständig ist und Autisten auch nicht alle Auffälligkeiten aufweisen müssen.

Stereotype Verhaltensmuster und Interessen
Die Verhaltensweisen sind meist ab dem Kindergartenalter auffällig.
Solche Verhaltensmuster können sein:
- flatternde Hände in T-Rex Haltung
- häufiges Wippen mit dem Oberkörper
- merkwürdiges Verknoten der Beine oder des ganzen Körpers
- häufiger Zehenspitzengang
Diese Auflistung ist bei weitem nicht vollständig und soll lediglich für besseres Verständnis sorgen.
Autisten lieben ebenfalls Routinen im Alltag und sind oft sehr irritiert, wenn diese unterbrochen oder geändert werden.
Die Auffälligkeit bei den Interessen liegt oft in den Themengebieten, z.B.: Fahrpläne, Heizungsanlagen oder Hochöfen. Besonders ist auch die Intensität, mit der Autisten ihren Interessen nachgehen.
Sensorische Empfindlichkeiten
Manchmal zeigt sich diese Besonderheit bereits im Babyalter.
Rückblickend war dies bei meinem Maxi der Fall. Denn was für andere Babies das schönste ist – auf Mama oder Papa einschlafen – war für ihn von Anfang an nicht möglich. Egal wie müde er war, auf mir schlief er nicht ein. Sobald ich ihn jedoch in sein Bettchen legte und meine Hände entfernte dauerte es oft nur Sekunden bis er schlief.
Viele Autisten haben auf Grund ihrer besonderen sensorischen Wahrnehmungen mit Körperkontakt ein Problem. Für manche ist Körperkontakt nie angenehm. Andere haben ein sehr starkes Bedürfnis nach Körperkontakt und überschreiten dadurch regelmäßig die Grenzen von Menschen in ihrer Umgebung. Wiederum andere – so wie ich und mein Maxi – haben das Problem, dass wir Körperkontakt in gewissen Situationen nicht aushalten und oft durch diesen zusätzlichen Reiz einen Meltdown erleiden.
Die richtige sensorische Stimulation wirkt beruhigend und entspannend. Wir haben selbst verschieden Spielzeuge / Hilfsmittel dafür. „Stachelbälle“ in verschiedenen Größen sind für Hände, Gesicht und Füße sehr beliebt. Jaderoller und Spachtel sind ideal zum Gesicht schmeicheln und die Pop It`s geben den Fingern Beschäftigung, wobei das Poppen ebenfalls das Auge und sogar das Gehör anspricht und stimuliert. Sensorische Empfindungen spielen auch beim Essen eine große Rolle. So hat alles was wir essen eine andere Textur im Mund. Fleisch ist oft fasrig, wenn man es zerkaut. Kiwi hat kleine harte Kerne im sonst sehr weichen Fruchtfleisch. Diese unterschiedliche Textur führt in Verbindung mit dem Geschmack oft dazu, dass viele Autisten vor allem im Kindesalter extrem selektiv essen. In Extremfällen gibt es nur ein oder zwei Nahrungsmittel die gegessen werden.

Weitere Besonderheiten
Es gibt über Autismus so viel mehr zu sagen und Stück für Stück möchte ich dies auch tun.
Dies hier soll lediglich einen kleinen Überblick bieten.
Was ich hier zum Beispiel überhaupt nicht eingebracht habe ist zum Beispiel wie unterschiedlich sich Autismus bei Jungs und Mädchen und auch später im Erwachsenenalter darstellt. Die groben Hauptmerkmale sind zwar gleich, jedoch sind die Ausprägungen, Techniken und Verhaltensweisen sehr unterschiedlich.
Weitere nicht behandelte Besonderheiten sind:
- Sauberkeitsentwicklung
- Schmerzempfinden
- Intelligenz
- Begleiterkrankung
und vieles mehr!
Ich hoffe dir mit diesem Beitrag einen Überblick gegeben zu haben und dich vielleicht auch weiter für das Thema interessieren zu können.
Gerne kannst du mir auch direkt Themenwünsche schreiben.
Liebe Grüße
Christin
2 Antworten
Einfach toll geschrieben.
Ein sehr verständlicher Überblick, so dass es jeder versteht.
Ich freue mich auf folgende Beiträge.
LG Tanja
Liebe Tanja, vielen Dank für dein Feedback 😀